Fließ-/Reibbohren: Prinzip, Parameter und Design zum Gewindeschneiden in dünnwandigen Werkstoffen
Neutraler, lehrreicher Leitfaden zum Fließbohren (Reibungsbohren): Prinzip, Parameter, Materialien, DFM, Qualitätssicherung und Sicherheit, Fallstudien sowie ein interaktiver Rechner.
Überblick
Fließbohren, auch bekannt als Reibbohren oder thermisches Bohren, ist ein spanloses Lochformungsverfahren zur Herstellung von verstärkten Löchern und Funktionsgewinden in dünnwandigen Blechen oder Rohren. Anstatt zu schneiden, erhitzt und plastifiziert ein mit hoher Geschwindigkeit rotierendes konisches Werkzeug das Material lokal durch Reibung. Das verdrängte Material bildet eine Buchse (Nabe) Dadurch wird die effektive Wandstärke erhöht und eine ausreichende Tiefe zum Gewindeschneiden oder Gewindeformen geschaffen.
Diese Methode wird häufig verwendet, wenn mechanische Befestigungselemente wie Nietmuttern oder Schweißmuttern aufgrund von Gewicht, Kosten oder Verunreinigungen unerwünscht sind.
1) Funktionsprinzip
Beim Fließbohren wird ein konisches Vollhartmetallwerkzeug axial in das Werkstück gepresst und dreht sich dabei mit hoher Geschwindigkeit. Durch Reibung entsteht starke, lokal begrenzte Hitze, die das Material erweicht, ohne es zu schmelzen. Das Material fließt plastisch um das Werkzeug und bildet einen Kragen und eine Buchse.
Prozessablauf (vier Stufen)
- Penetration: Die Werkzeugspitze berührt die Oberfläche und es entsteht Reibungswärme.
- Zapfenbildung: Das Material beginnt weicher zu werden und nach unten zu fließen.
- Durchfluss: Das Werkzeug dringt ein und verdrängt Material, um eine Buchse zu bilden.
- Kalibrierung: Die Werkzeugschulter glättet die Oberfläche und definiert die endgültige Höhe der Erhebung.
2) Typische Anwendungen
Fließbohren eignet sich für Komponenten, die starke Gewindeverbindungen in dünnen Metallen erfordern:
- Verpackungsmaschinen und Montagelinien: Halterungen, Rahmen, Gehäuse.
- Automobil- und Automatisierungsausrüstung: Karosseriestrukturen, Vorrichtungen.
- Metallmöbel, HLK-Systeme, Geräte.
Nicht empfohlen für
- Spröde Materialien, zuvor wärmebehandelte oder beschichtete Oberflächen, die durch Reibungswärme zerfallen.
- Hitzeempfindliche Bauteile verfärben sich.
3) Empfohlene Materialien und Dicken
Materialart | Typische Note | Wandstärke (mm) | Loch-Ø (mm) | Nabenhöhe (mm) |
---|---|---|---|---|
Kohlenstoffarmer Stahl | S235–S355 | 1,0–3,0 | 4–10 | 1,5–3,5 |
Edelstahl | 304 / 316 | 0,8–2,5 | 3–8 | 1,2–2,8 |
Aluminiumlegierungen | 5052 / 6061 / 6082 | 1,0–4,0 | 4–12 | 1,8–4,0 |
Kupfer / Messing | CW508L / CW614N | 0,8–2,5 | 3–8 | 1,0–2,5 |
Hinweise: Die höhere Wärmeleitfähigkeit von Aluminium erfordert höhere Spindeldrehzahlen und ein geringeres Drehmoment. Edelstahl benötigt aufgrund seiner höheren Festigkeit und geringeren Leitfähigkeit eine höhere Axialkraft und Schmierung.
4) Prozessparameter (Praxisleitfaden)
Werkzeug-Ø (mm) | Material | Spindeldrehzahl (U/min) | Vorschubgeschwindigkeit (mm/min) | Ca. Drehmoment (Nm) |
---|---|---|---|---|
4 | Weichstahl | 4 500–5 500 | 200–300 | 3–5 |
6 | Aluminium | 5 500–7 000 | 250–350 | 2–3 |
8 | Edelstahl | 3 000–4 000 | 150–250 | 8–10 |
10 | Messing | 3 500–4 500 | 200–300 | 4–6 |
- Schmierung: Leichtes Öl oder Paste, um den Werkzeugverschleiß zu minimieren und die Oberfläche zu verbessern.
- Werkzeuggeometrie: Öffnungswinkel 45–60°, kurzer Zapfen, polierte Schulter.
- Werkzeugmaterial: Wolframkarbid, TiN/TiCN-Beschichtung empfohlen.
5) Nachbearbeitung: Gewindeformen
Nachdem die Buchse geformt wurde, kann ein Gewinde erzeugt werden durch:
- Formgewindebohren (Rollgewindebohren): bevorzugt für duktile Werkstoffe; stärkere Gewinde, keine Späne.
- Gewindeschneiden: für härtere Materialien oder kleine Durchmesser.
Qualitätskontrolle: Gewinde mit Gut-/Ausschusslehren prüfen. Empfohlene Toleranzklasse: ISO 6H (Schnitt) bzw. 6H–7H (Form).
6) Design für Herstellbarkeit (DFM)
Designaspekt | Empfohlener Wert |
---|---|
Mindestabstand vom Rand | ≥ 2× Lochdurchmesser |
Mindestabstand zwischen Löchern | ≥ 3× Lochdurchmesser |
Minimale Abweichung der Wandebenheit | ≤ 0,1 mm |
Klemmsteifigkeit | starr, minimale Vibration |
- ☑ Richtige Werkzeugausrichtung
- ☑ Starre Klemmung
- ☑ Verwenden Sie einen konstanten Vorschub und eine konstante Drehzahl
- ☑ Überprüfen Sie die Höhe und Konzentrizität der Nabe nach dem Bohren
7) Vorteile und Einschränkungen
Vorteile
- Macht Muttern, Schweißnähte und Einsätze überflüssig
- Schnelle Zykluszeit (1–2 s pro Loch)
- Starkes, ausbruchfreies Gewinde
- Geringere Montagekosten
Einschränkungen
- Erzeugt eine lokale Wärmeeinflusszone (WEZ)
- Oberflächenoxidation/Verfärbung möglich
- Nicht geeignet für spröde/harte Materialien
- Beschichtete Teile müssen möglicherweise nachbearbeitet werden
Vergleich mit Alternativen
Verfahren | Zusatzteil | Zykluszeit | Verbindungsfestigkeit | Kosten |
---|---|---|---|---|
Fließbohren + Gewindeformen | keiner | 1–2 s | Hoch | Niedrig |
Nietmutter | Ja | 10–15 s | Medium | Medium |
Schweißmutter | Ja | 8–12 s | Hoch | Hoch |
Gewindeschneiden in dünnes Blech | keiner | 3–5 s | Niedrig | Niedrig |
8) Qualitätssicherung und Sicherheit
- Überprüfen Sie die Höhe der Nabe, die Rundheit der Bohrung, die Konzentrizität des Gewindes und die Auszugsfestigkeit.
- Zeichnen Sie Drehmoment und Temperatur während der Versuche zur Prozessvalidierung auf.
- Sorgen Sie für ausreichende Belüftung und Rauchabsaugung.
- Tragen Sie einen Augenschutz und hitzebeständige Handschuhe.
- Vermeiden Sie brennbare Schmiermittel bei hohen Drehzahlen.
9) Fallstudien (Beispiele)
Fall 1 – Winkel aus Weichstahl (2 mm): Ø6 mm Bohrung, 4.800 U/min, 250 mm/min Vorschub. Nabenhöhe 2,8 mm. Gewinde M6 formgeschnitten. Auszugsfestigkeit +230% gegenüber Nietmutter.
Fall 2 – Aluminium 6061 (3 mm): Bohrung Ø 8 mm, 6.500 U/min, Vorschub 300 mm/min. Nabenhöhe 3,5 mm. Gewinde M8 formgeschnitten. Optische Oberfläche glatt, minimale Grate.
Fall 3 – Edelstahl 304 (1,5 mm): Bohrung Ø 5 mm, 3.200 U/min, 180 mm/min. Nabenhöhe 1,9 mm. Gewinde M5. Erforderliche Schmierung mit Molybdändisulfid.
10) Videodemonstration
Baustahl 2 mm, 4.800 U/min, 250 mm/min.
11) Rechner (Interaktives Tool)
Schätzen Sie Drehzahl, Vorschub und Nabenhöhe
Die Werte sind Richtwerte und hängen von der Werkzeugkonstruktion, der Schmierung und der Maschinensteifigkeit ab. Sie dienen nur als Konstruktionshilfe.
So funktioniert dieser Rechner (Hilfe)
Eingänge
- Material – wirkt sich auf Geschwindigkeits-/Drehmomentziele aus.
- Wandstärke (t) – wird zur Schätzung der Bosshöhe verwendet.
- Lochdurchmesser (D) – Antriebe Drehzahl, Vorschub und Drehmoment.
- Thread (optional) – beeinflusst nur den Tippvorschlag.
Ausgänge
- Spindeldrehzahl (U/min) – berechnet aus einer Zieloberflächengeschwindigkeit
Vc
nach Material. - Vorschub (mm/min) – einfache Heuristik proportional zum Durchmesser.
- Nabenhöhe (mm) – geschätztes Vielfaches von
T
nach Material. - Drehmoment (Nm) – grobe Schätzung proportional zum Durchmesser.
Formeln
Drehzahl | n = (Vc × 1000) / (π × D) → dargestellt als ±15%-Bereich (festgelegt 1500–15000 U/min) |
Füttern | Vorschub ≈ k_Material × D |
Bosshöhe | h ≈ f_Material × t |
Drehmoment | T ≈ c_Material × D |
Materialkonstanten (Standardwerte)
Material | Vc (m/min) | k_feed | f_boss | c_Drehmoment (Nm/mm) |
---|---|---|---|---|
Stahl | 180 | 40 | 1.2 | 0.8 |
Edelstahl | 120 | 30 | 1.1 | 1.2 |
Aluminium | 240 | 45 | 1.4 | 0.35 |
Messing/Kupfer | 160 | 35 | 1.0 | 0.5 |
Gute Praxis und Grenzen
- Verwenden Sie ein leichtes Öl/eine Paste; Edelstahl benötigt eine sorgfältige Schmierung.
- Auf feste Klemmung und korrekte Ausrichtung achten.
- Der Rechner ist ein Ausgangspunkt; Feinabstimmung durch Versuche für Ihre Werkzeuggeometrie und Maschine.
- In Betracht ziehen Schnittgewindebohren für Edelstahl oder D ≤ 4 mm; ansonsten bevorzugen Formgewindebohren.
Beispiel (Stahl, t=2,0 mm, D=6,0 mm)
Drehzahl ≈ 9.550 → Bereich ~ 8.120–10.980 U/min; Vorschub ≈ 240 mm/min; Nabe ≈ 2,4 mm; Drehmoment ≈ 4,8 Nm; Vorschlag: Formgewindebohrer.
12) Referenzen
- AM „Thermisches Bohren von Metallen“, Zeitschrift für Fertigungsprozesse, Bd. 12 (2019).
- ISO 2768 – Allgemeine Toleranzen für Längenmaße.
- DIN 8593-11 – Spanlose Fertigungsverfahren – Fließbohren.
- Smith, R. „Spanlose Lochbildung durch Reibung“, Moderne Maschinenwerkstatt, 2020.
- JK Gupta – Handbuch für Fertigungsprozesse, Springer, 2018.
- ASTM E646 – Standardprüfverfahren für den Zugverfestigungsexponenten N aus Metallblech.
- Datenblätter für Werkzeugmacher – Kennametal, Flowdrill usw.
- L. Zhao et al., „Experimentelle Studie zu den Parametern des Reibbohrens von Aluminium 6061“, Procedia Manufacturing, 2021.
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